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Das Bundesamt für Migration ist wegen einer Informationsbroschüre in die Kritik geraten.

© dpa

Info-Broschüre in der Kritik: Bundesamt für Migration schmäht Asylbewerber

In einer Informationsbroschüre legt das Bundesamt für Migration nahe, dass ein Großteil der Asylbewerber Sozialschmarotzer sei. Abgeordnete sind empört. Doch das Amt ist sich keiner Schuld bewusst.

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) hat eine spezielle Sicht auf seine Klientel. Auf der Homepage der Nürnberger Behörde wird man noch von Multikulti-Familien lächelnd „Willkommen in Deutschland“ geheißen. Wer sich allerdings zum Thema Asyl durchklickt, muss den Eindruck bekommen, das BAMF halte Asylbewerber vor allem für Schmarotzer.

Die BAMF-Homepage und die Informationsbroschüre zum deutschen Asylverfahren zum Download finden Sie hier.

In der Informationsbroschüre „Das deutsche Asylverfahren – ausführlich erklärt“ nämlich heißt es über das Flughafenverfahren, das 1993 mit der Änderung des Asylartikels im Grundgesetz eingeführt wurde: „Das damals kontinuierlich steigende Asylbewerberaufkommen gipfelte im Jahr 1992 in über 400 000 Asylbewerbern, von denen der weitaus größte Anteil den Zuzug in die deutschen Sozialsysteme beabsichtigte.“ Das Internetmedium „Migazin“, das den Schmähsatz vor knapp zwei Wochen an die Öffentlichkeit brachte, kommentierte drastisch: Die Formel sei „typische NPD-Rhetorik“. Eine „Migazin“-Nachfrage, welche Daten diese Aussage denn stützten, habe ein Mitarbeiter der zuständigen Nürnberger Abteilung mit den Worten beantwortet, das wisse er auch nicht.

Von keiner Ratlosigkeit befallen zeigte sich dagegen das Bundesinnenministerium dieser Tage. Die Linken-Abgeordnete Sevim Dagdelen hatte dort schriftlich angefragt, ob das Ministerium die Formulierung für angemessen halte, da das BAMF doch den Eindruck der Voreingenommenheit Flüchtlingen gegenüber vermeiden müsse. In der vom Parlamentarischen Staatssekretär Ole Schröder (CDU) unterschriebenen achtzeiligen Antwort heißt es dazu, es sei „kein Zeichen von Voreingenommenheit, wenn Tatsachen als solche benannt werden“. 1992 sei „in der ganz überwiegenden Mehrzahl der Asylverfahren kein Schutzbedarf festgestellt“ worden, die Einreise „daher aus asylfremden, insbesondere wirtschaftlichen Gründen erfolgt“.

Genau diesen angeblichen Tatsachen widersprechen allerdings nicht nur Dagdelen und ihre Fraktionskollegin, die Innenpolitikerin Ulla Jelpke, die wegen des Satzes in der Broschüre vergangene Woche auch an den BAMF-Präsidenten Manfred Schmidt geschrieben haben. Die amtliche Statistik wies vor 20 Jahren das zerfallende Jugoslawien als Hauptherkunftsland der Flüchtlinge aus.

Nur war Flucht vor Bürgerkriegen damals kein in Deutschland anerkannter Fluchtgrund. Was die Zahlen angeht, mit denen 1993 der Kompromiss zur Änderung des Asyl-Artikels 16 im Grundgesetz begründet wurde, verweist die Flüchtlingshilfsorganisation Pro Asyl darauf, dass sie weit übertrieben waren. Hinter den 430 000 Anträgen standen deutlich weniger Flüchtlinge. Da zwischen Erst- und Folgeanträgen damals in der Statistik nicht unterschieden wurde, geht Pro Asyl von tatsächlich 270- bis 280 000 neuen Flüchtlingen im Jahr 1992 aus; die in der BAMF-Broschüre genannten mehr als 400 000 Bewerber waren in Wirklichkeit nur Anträge.

Das Büro des BAMF-Präsidenten Schmidt wollte auf Tagesspiegel-Anfrage noch nicht zur Broschüre Stellung nehmen. Der Brief von Dagdelen und Jelpke sei eingegangen, hieß es, eine Antwort werde „zeitnah an die Abgeordneten übersendet“.

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